2013.12 Tibet – das Dach der Welt

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2013.12 Tibet

tibet_flag12 2013.12 Tibet - das Dach der Welt

Der Begriff Tibet ist ein Homonym. In der Geschichte war es ein Königreich, das die Grundlage für das historische Tibet bildet. Geographisch ist es ein ausgedehntesHochland in Zentralasien, das auch als „Dach der Welt“ bezeichnet wird.[1]

In der Gegenwart ist größtenteils das historische Gebiet Tibets unter chinesischer Verwaltung in das Autonome Gebiet Tibet (AGT) mit der Hauptstadt Lhasa und in weitere Autonome Verwaltungseinheiten, zumeist in Autonome Bezirke der chinesischen Provinzen Qinghai, Sichuan, Yunnan und Gansu unterteilt. Teile des historischen Tibet bzw. des Siedlungsgebietes des Volkes der Tibeter außerhalb Chinas bestehen in Pakistan, Indien, Nepal, Bhutan, Myanmar und Indien.

Die gegenwärtige Zugehörigkeit Tibets, das bis ins 20. Jahrhundert hinein ein eigenes Staatswesen besaß, zur Volksrepublik China ist völkerrechtlich umstritten (siehe dazu:Tibets Status). Doch gibt es derzeit keinen Staat oder internationale Organisation, der bzw. die sich auf diplomatischer oder politischer Ebene aktiv für Veränderungen einsetzt. Seit 1959 besteht eine Tibetische Exilregierung, die international nicht anerkannt ist, aber von vielen Ländern unterstützt wird.

Historische Anmerkungen zu Tibets Status

Bis Anfang des 18. Jahrhunderts war Tibet eine Region ohne festgelegte Grenzen, bei innerer Autonomie unter mongolischer Schirmherrschaft. Mit dem Niedergang der mongolischen Macht brachen auf tibetischem Gebiet „Nachfolgeunruhen“ aus.

Aufgrund dieser Unruhen erklärte China um 1720 das Gebiet Tibets zu seinem Protektorat bei voller innerer Autonomie Tibets. Diese Konstruktion der Suzeränität, hielt fast 200 Jahre lang und hatte Vorteile für beide Staaten.

Für die Han-Chinesen hatte das Protektorat über Tibet einen Vorteil: Es stellte klar, dass China bis zum Gebirgskamm des Himalaya Gebietsansprüche hatte. Damit war auch eindeutig, ab wann fremde Mächte chinesisches Hoheitsgebiet betraten, und auf einen Krieg mit China wollte sich keiner der kleineren umgebenden Staaten einlassen.

Für die Bevölkerung Tibets garantierte die Stellung als chinesisches Protektorat den Schutz gegen äußere Feinde und damit den äußeren Frieden.

Aufgrund dieser Konstellation wird in den alten Atlanten[19] Tibet bisweilen als Teil Chinas dargestellt.

Die Lage änderte sich mit dem Auftauchen der englischen Invasionsarmee in Tibet unter Francis Younghusband (1903–1904); denn sie respektierte die umstrittenen Außengrenzen Chinas nicht.

Die Sicht der tibetischen Exilregierung

Die tibetische Exilregierung vertritt die Auffassung, dass Tibet zum Zeitpunkt derInvasion durch die chinesische Volksbefreiungsarmee ein unabhängiger und voll funktionsfähiger Staat gewesen sei[20] und dass die militärische Invasion und die andauernde Besetzung ein Verstoß gegen internationales Recht und gegen das Recht auf Selbstbestimmung seien. Ferner sei Tibet nicht, wie es die Volksrepublik darstellt, seit 700 Jahren (seit dem 14. Jahrhundert) fester Bestandteil Chinas, sondern habe nur für kurze Zeiten unter dem Einfluss der Mongolen oder der Mandschu gestanden, jedoch nie unter dem Einfluss der Han-Chinesen. Tibet habe mit anderen Nationen im diplomatischen Kontakt gestanden: mit Nepal seit 1856 und mit Großbritannien seit 1903.[21]

Das 17-Punkte-Abkommen ist nach tibetischer Auffassung ungültig, da die Unterzeichnung durch tibetische Delegierte aufgrund militärischen Drucks Chinas erfolgte. Des Weiteren wird China vorgeworfen, die in dem Abkommen zugesicherte innenpolitische Autonomie und Religionsfreiheit missachtet zu haben.

Am 22. September 1987 machte Dalai Lama Tendzin Gyatsho einen Vorschlag zur Annäherung an China in Form eines Fünf-Punkte-Friedensplans.[22]

  1. Umwandlung von ganz Tibet, einschließlich der östlichen Provinzen Kham und Amdo, in eine Zone der Gewaltlosigkeit
  2. Aufgabe der chinesischen Politik der Bevölkerungsumsiedlungen
  3. Achtung der Menschenrechte und demokratischen Freiheiten des tibetischen Volkes
  4. Wiederherstellung und Schutz der Umwelt Tibets
  5. Aufnahme ernsthafter Verhandlungen über den künftigen Status Tibets sowie Beziehungen zwischen dem tibetischen und dem chinesischen Volk

Die chinesische Regierung wies den Plan zurück.

Die Sichtweise der chinesischen Regierung

Aus Sicht der festlandchinesischen Regierung ist Tibet seit mehreren hundert Jahren ein fester Bestandteil Chinas. Nach Ansicht regierungstreuer Historiker markiert die Hochzeit von Songtsen Gampo mit der chinesischen Prinzessin Wen Cheng im 7. Jahrhundert den Beginn der kulturellen Vorherrschaft Chinas über Tibet – eine Deutung, die international kaum geteilt wird.[23][24] Ab dem 13. Jahrhundert sei Tibet dann ein administrativ unabteilbarer Teil Chinas gewesen[25], obwohl im 13. Jahrhundert eine mongolische, also keine chinesische Fremdherrschaft über Tibet begann. Nach der festlandchinesischen Auffassung hätte der 13. Dalai Lama Thubten Gyatso im Jahr 1894 mit Hilfe der britischen Imperialisten versucht, Tibet von China abzuspalten. In diesem Jahr wurde der Statthalter des chinesischen Kaisers vom Dalai Lama aus Tibet vertrieben.[26] Die Kolonialmacht Großbritannien war in China militärisch präsent und unterstützte die Abspaltung Tibets politisch, was die chinesische Regierung zum Stillhalten zwang. Die Unabhängigkeitserklärung von 1913 ist aus Sicht der chinesischen Regierung völkerrechtlich nie wirksam geworden, da sie weder von China noch von irgendeinem anderen Staat je anerkannt wurde. Mit dem Zurückdrängen der ausländischen Beeinflussung Tibets (1950) und dem Abschluss des 17-Punkte-Abkommens (1951) sei der traditionelle Zustand wieder hergestellt worden. Gleichzeitig beruft sich die chinesische Regierung auch darauf, die Bevölkerung Tibets von einem feudalen Unterdrückungssystem befreit zu haben.[27]Diese Befreiung sei durch den 10. Penchen Lama Chökyi Gyeltshen in einem Telegramm an Mao Zedong befürwortet worden.[28] Chökyi Gyeltshen war zu diesem Zeitpunkt jedoch erst elf Jahre alt.

Den 5-Punkte-Plan des Dalai Lamas Tendzin Gyatsho wies die chinesische Regierung am 17. Oktober 1987 zurück und beschuldigte ihn, die Kluft zwischen ihm und der chinesischen Regierung zu vergrößern. Sie wirft dem Dalai Lama darüber hinaus vor, ein politischer Exilant zu sein, der sich seit langem im Ausland um Chinas Spaltung bemühe. Ein Dialog mit dem Dalai Lama kommt für sie nur in Betracht, sobald dieser auf das Streben nach einer so genannten Unabhängigkeit Tibets verzichtet. Hierzu müsse er in einer öffentlichen und eindeutigen Erklärung Tibet und Taiwan als untrennbare Teile des chinesischen Territoriums und die Volksrepublik China als die einzige legitime Regierung anerkennen, und sich verpflichten, alle Aktivitäten zur Spaltung des Vaterlandes einzustellen.

Sicht anderer Länder

Die völkerrechtlichen Argumente, die von anderen Ländern vorgebracht werden, sind sehr unterschiedlich. Die Internationale Juristenkommission erklärte im ICJ Report 1960, Tibet sei jedenfalls 1951 de facto ein unabhängiger Staat gewesen und habe schon in den Jahren 1913–1950 die anerkannten Kriterien für einen Staat erfüllt.[29]Mehrere Staaten haben jedoch ihre jeweils eigene offizielle Sicht.

Deutschland

Erstmals Erwähnung fand Tibet im Deutschen Bundestag im Jahr 1986 aufgrund der parlamentarischen Kleinen Anfrage der Abgeordneten Petra Kelly, Herbert Rusche und der Fraktion DIE GRÜNEN (Drucksache 10/5666) sowie der Antwort der Bundesregierung darauf (Drucksache 10/6127).

Der völkerrechtliche Status Tibets ist umstritten. So betrachtet die deutsche Bundesregierung in Übereinstimmung mit der internationalen Staatengemeinschaft Tibet auf politischer Ebene als Teil des chinesischen Staatsverbandes[30], selbst wenn Tibet im Laufe der wechselvollen Geschichte die Voraussetzung eines unabhängigen Staates erfüllt haben sollte. Sie unterstützt aber den tibetischen Anspruch aufAutonomie, insbesondere im kulturellen und religiösen Bereich, als adäquaten Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des tibetischen Volkes. Kontakte zum Dalai Lama bestehen nur in dessen Eigenschaft als religiöser Führer.[29]

Andere Stellen kommen zu anderen Ergebnissen in der völkerrechtlichen Frage. Derwissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages stellte 1987 auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Petra Kelly fest:

„Die Staatengemeinschaft geht zwar davon aus, dass Tibet Teil des chinesischen Staatsverbandes ist, doch wurde der Status Tibets nicht geklärt. Zum Zeitpunkt der gewaltsamen Einverleibung in den chinesischen Staatsverband war es ein eigenständiger Staat. China hat keinen wirksamen Gebietstitel erworben, weil es dem Grundprinzip des aus dem Gewaltverbot hervorgehenden Annexionsverbots entgegensteht. Die Effektivität tatsächlicher Herrschaftsgewalt über ein Gebiet vermag keinen Gebietserwerb zu bewirken.“ [31]

Der Deutsche Bundestag stellte im Jahr 1996 mit einer sehr großen Mehrheit die gewaltsame Unterdrückung Tibets und Repressionspolitik Chinas fest:

„Beginnend mit den unmenschlichen Militäraktionen seit dem Einmarsch Chinas im Jahr 1950, dauert die gewaltsame Unterdrückung Tibets und seines Strebens nach politischer, ethnischer, kultureller und religiöser Selbstbestimmung bis heute an. Die fortgesetzte Repressionspolitik Chinas in Tibet hat schwere Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörungen sowie massive wirtschaftliche, soziale, rechtliche und politische Benachteiligungen der tibetischen Bevölkerung und letztlich die Sinisierung Tibets zur Folge.“[32]

Seit Mai 1995 gibt es im Deutschen Bundestag mit dem Tibet-Gesprächskreis auch ein interfraktionelles Gremium, das sich laufend mit der Tibetproblematik beschäftigt.

Im Jahr 1998 bekräftigte der damalige Außenminister Joschka Fischer jedoch die Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China. Er erklärte, die rot-grüne Bundesregierung stehe mit ihrer Chinapolitik in der Kontinuität der alten Regierung. Tibet werde als ein integraler Bestandteil Chinas betrachtet, alle Unabhängigkeitsbestrebungen würden als Separatismus angesehen und nicht unterstützt.[33] An der Einbringung der Bundestagsresolution[32] zu Tibet im Jahr 1996 wirkte Fischer (damals noch in der Opposition) ebenfalls mit.

Europäische Union

Das Europäische Parlament veröffentlichte seit 1987 verschiedene Tibet betreffende Resolutionen. Hierbei verurteilte es wiederholt die Verletzungen der Menschenrechte und der Religionsfreiheit durch die chinesischen Behörden.[34]

In der Resolution vom 15. Dezember 1992 stellte es fest, dass das tibetische Volk ein Volk im Sinne des Völkerrechts sei und ihm das Recht auf Selbstbestimmung zustehe. Außerdem verurteilte es die militärische Besetzung Tibets durch chinesische Truppen und drückte angesichts der Bedrohung der „nationalen Identität“ des tibetischen Volkes seine Besorgnis aus.[35

Quelle: Wikipedia

 

Mittwoch, 04.12.2013, Peking – Xining

Alles ist riesig, auch die Bahnhöfe. Abfahrt Beijing West: es geht mit dem Feuerwagen (Chinesisch für Eisenbahn) nach Xining, ca. 1.800 km westwärts. Nachtzug, dritte Klasse.
Bahn fahren zeigt mal wieder allerlei – zwar schnell an einem vorbei rauschend, aber es gibt einen Eindruck: schlechte Luft, willenloser Abbau von allem was gerade benötigt wird (Lehm in der Fläche, Kies in Flüssen, …), Baustellen überall, Hochhäuser endlos, Schweinsköpfe werden mit dem Gasbrenner „vorgebraten“, kleine Äcker, die alle mit Flutbewässerung bewässert werden. Und viele typische Gewächshäuser – nach Norden hin eine Mauer und dann als halbrundes Dach gen Süden hin mit Folie überdacht.
Im Zug werden durch die Schaffnerinnen in alle Richtungen glänzende Tischplatzunterleger verkauft – kein Tisch, kein Bedarf für Tischplatzunterleger.

Donnerstag, 5.12.2013, Xining (2.300 m) – Lhasa (3.600 m)

In Xining am Bahnhof steht dann jemand, der den Heinz Stefax abholt. Für ca. 4 Stunden habe ich hier Aufenthalt und dann geht es weiter. Die Stadt ist nichts sagend. Keine alten Häuser mehr im Innenstadtbereich, Hochhäuser ohne Ende, wo sich jeder fragt, wer denn dort alles mal einziehen soll.
In den Unterhaltungen wird einem mitgeteilt, dass alle chinesischen Städte mittlerweile ein wenig gleich aussehen und diese Stück für Stück die eigene Identität verlieren.

Dann geht es los: Lhasa Bahn, ca. 1.125 km lang, bis auf eine Höhe von 5.072 m. Die höchste Eisenbahnlinie der Welt, im Jahre 2006 in Betrieb genommen.
Penibel wird das Sondervisum für Tibet erfragt. Touristen sind sonst keine zu entdecken.
Ich beziehe ein Viererabteil. Ein Mann mit Anzughose versucht der Schaffnerin zu erklären, dass er sicher nicht das obere Bett gebucht hat. Ein netter Herr, der sich denkt, dem Touristen doch noch das untere Bett abzuluchsen. Fehlanzeige.
Schon die ersten Minuten der Fahrt sind beeindruckend. Es geht meist durch Flusstäler und somit mit wenigen Tunnels ganz gemächlich Stück für Stück den Berg hoch. Die Landschaft ist meist karg und dennoch interessant. Felder, viel Steppe und immer wieder Infrastrukturprojekte, denen anzusehen ist, dass sie außer sich selbst nichts anderes kennen oder akzeptieren. Eine Hochgeschwindigkeitstrasse durchschneidet im Flachland auch hier die Landschaft, willenlos über alles drüber gebaut. Wenn schon eine Autobahn auf Stützen da war, wird eben einfach eine Ebene Höher gebaut.
Eingleisig und elektrifiziert zieht sich der Zug langsam den Berg hoch. Rechts und links endlose Weite und karge Wiesen, Grassteppe, meist friedliche Landschaft, tausende Schafe und mindestens genauso viele Yaks.
Atemberaubend, ein glasklarer blauer Himmel lässt die Berge beim Verschwinden der Sonne wie Scherenschnitte erscheinen.
Der Zug, der stolze Vorzeigezug für die Hochstrecke, funktioniert zwar was das Vorankommen angeht gut, was die sanitären Einrichtungen angeht versagen diese Stück für Stück. Ich bin froh, dass nur wenige Leute im Zug sind. Die chinesischen Bodenlochklohs sind im Zugfahren noch mal was ganz eigenes.

Freitag, 06.12.2013, Ankunft in Lhasa

Nach fast 12 Stunden Schlaf wache ich auf und ein Blick auf die Karte am Bahnhof „An Duo“, 4.702 m hoch, verrät mir, dass ich die höchstgelegene Bahnstation der Welt, Tanggula mit 5.068 m Höhe (wer richtig gelesen hat, merkt, dass die Höhenangaben variieren – stimmt, überall), bereits hinter mir habe. Weitere Bahnhöfe in Höhen von über 4.000 m werden passiert.
Die Landschaft ist weiterhin beeindruckend – eigentlich nur Gras und Berge, aber die Weite, verknüpft mit klarster Luft macht dies so einzigartig. Dazu weiterhin abertausende von Yaks und Schafe, die friedlich grasen. Beim genaueren Hinschauen fragt man sich zwar was, aber es scheint genug zu geben. Immer wieder tauchen Siedlungen auf. Von den einfachsten Hütten, über kleinere neuere Siedlungen bis zu größeren Städten.

Öffnet man seinen Blick ein wenig anders, so fallen einem auch weniger idyllische Dinge auf. Die Bahnstrecke ist mit Kameras überwacht. Erst mit der Zeit versteht man, warum in regelmäßigen Abständen kleine Zelte neben der Strecke sind. Gerade in den letzten Stunden vor Lhasa sieht man dort immer wieder Personen sitzen, die eine gelbe „Police“-Weste umhaben. Einige salutieren (dem Zug!), andere kauern einfach nur so im Gras. Die Bahnhöfe sind abgeriegelt, alle Leute, die einen Bahnhof verlassen, müssen erneut eine Kontrolle passieren.

Wir fahren, sehr pünktlich, gegen frühen Nachmittag in den Bahnhof von Lhasa ein. Ein großer, moderner Bau. Alles strömt zum Ausgang, ich folge mal dem Strom. Dann wieder überall Polizei, am Ausgang wird jeder kontrolliert. Ich werde mit „Licence“ angesprochen (bedeutet wohl „Willkommen in Lhasa“). Die Lizenz, die für Tibet notwendig ist, wird gewünscht. Kurz gelesen und der eine Polizist gibt sie dem nächsten. Dieser gibt mir zu verstehen ihm zu folgen. Wir gehen über den abgesperrten Bahnhofsvorplatz, überall Polizei, teilweise Militär. Am Ende ein Ausgang. Dort winkt schon die Reiseführerin. Sie tauscht mit dem Polizisten erneut Papiere aus, eine Unterschrift ist notwendig und dann darf ich folgen.
Wir fahren in die Stadt. Sie spricht gutes Englisch und wird die nächsten Tage mich begleiten.
Die Frage „Darf ich mich hier frei bewegen“, die mir nur schwer über die Lippen kommt, da man es gar nicht anders kennt, wird bejaht. „Frei“ ist allerdings auch Definitionssache.
Das Hotel, zentral in der Altstadt gelegen, ist leicht heruntergekommen, 70iger Jahre Style, aber die Lage macht es wett. Normalerweise wohnen die Touristen auch außerhalb der Stadt, in den neuen vier und fünf Sterne Hotels.

Das Schädelbrummen nach der Bahnfahrt (bedingt durch die „dünne“ Luft: „Dünn“ bedeutet, dass aufgrund des geringeren Luftdrucks weniger Luft vorhanden ist, der Sauerstoffanteil ist relativ der Gleiche) ist fast weg und so mache ich einen kleinen Spaziergang durch die Altstadt. Eine komplett andere Welt. Vor allem als ich den zentralen Altstadtring („Fußgängerzone“) erreiche, der von hunderten Pilgern gerade zum abendlichen Gebet begangen wird. Ergreifend. Noch nie habe ich so viele unterschiedliche Gesichter, von der Sonne und Arbeit hart gekennzeichnet, gesehen. Man möchte sie alle festhalten. Heute habe ich aber keine Kamera mitgenommen. Wollte mich erst mal umschauen. Und Umschauen tun sich auch viele der Pilger. Ich frage mich teilweise wer hier wen beäugt. Sie bleiben stehen, schauen teils lächelnd, teils teilnahmslos einen an und gehen dann weiter. Interessant, für alle Beteiligten.

Wetter: Lhasa, Sonnenschein, klarer Himmel, ca. 12°C

Samstag, 07.12.2013, Lhasa – Potala-Tempel, Sera-Kloster

Bei ca. 5°C nehme ich mein Frühstück im Frühstücksraum ein. Immerhin ist es windstill und es gibt süßen Tee, Toast mit Marmelade und Eier.
Beim Einschlafen im schweinekalten Zimmer machte sich gestern schon ein wenig Vorfreude auf wärmere Regionen breit. Vorteil hier ist definitiv, dass es kein Krabbelviehzeug gibt.

Als ich vor dem Hotel warte kommt ein Pilger vorbei. Ein älterer Mann, mit einer Gebetsmühle in der Hand. Er sieht mich, bleibt vor mir stehen, faltet die Hände vor mir, verbeugt sich leicht und geht mit einem Grinsen weiter. Ich bin ein wenig gerührt. Vielleicht hat er mir aber auch nur mehr Haare gewünscht.
Mit dem öffentlichen Bus fahren wir zum ersten Tempel. Auch im Bus prallen zwei Welten aufeinander – es sitzen alte Frauen in traditionellen Gewändern die Gebetsmühle schwenkend da und murmeln Gebete vor sich. Dies während der Bus sich laut hupend durch den mehr oder weniger geregelten Verkehr schiebt.

Erste Station ist der Potala Tempel – 110 m hoch, 13 Stockwerke, mehr als tausend Räume. Es gibt zwei Paläste – der Weiße und der Rote. Der Weiße darf nicht besucht werden – alles Regierungsräume oder so. Der Rote hat eine beeindruckende Innenausstattung, Stupas mit Tonnen von Gold und unzählige Buddhastatuen unterschiedlicher Ausprägung.

Weiter geht es mit dem Taxi – es sitzt bereits schon eine Frau auf dem Vordersitz – zum nächsten Kloster. Erst mal Mittagessen mit Einheimischen. Es gibt Yak-Maultaschen –  Essenskategorie „F“ würde ich sagen.
Während ich alleine mit drei alten Damen – Aussehen um die 90, effektiv ca. 60 Jahre alt – am Tisch sitze, schenken diese mir immer wieder Tee nach. Überall freundliche, nett lächelnde Menschen, die auch einfach mal angewurzelt stehen bleiben. Und starren. Ich bekommen einen Eindruck wie es für manche Einheimischen, wo auch immer, sein muss, wenn permanent Touristen vorbeikommen, die Menschen anschauen und Terrabyte von Fotos machen.
Das Kloster heißt Sera, früher waren hier über 4.000 Mönche, heute ca. 500. In der Sonne vor einem der Tempel werden gerade uralte Gebetsschriften neu gebunden. Beeindruckende jahrhundertealte Schriften stapeln sich dort und werden von einigen Helfern bearbeitet.
Eine skurriles Bild gibt sich. Da sitzen Adi Dassler (alias Adidas) und sein Bruder Rudolf (alias Puma), vereint in der Kleidung einer Person und sortieren jahrhunderte alte Bögen von Gebetsschriften. Was man wohl in Herzogenaurach dazu sagen würde, wenn man das hier sehen würde.
Die Bögen werden kurz gelüftet, geprüft und dann in helle Tücher neu eingebunden und beschriftet. In den Klöstern lagern tausende davon. Der Rest, den die chinesische „Kulturrevolution“ in den siebziger Jahren überstanden hat.

Danach geht es in den Debattiergarten. Dort treffen sich jeden Nachmittag die Mönche und debattieren über allerlei Fragen der Welt. Für den westlichen Besucher ganz einfach dargestellt – „Was war zuerst – das Huhn oder das Ei?“. Die Mönche beschäftigen sich allerdings mit ganz anderen Fragen – meist zum Glauben und zu Wissensfragen. Sie gelten als sehr scharfsinnig. Eine Gruppe von zwei oder drei Mönchen sitzt auf dem Boden, einer steht. Dieser stellt immer eine Frage und hört sich die Antwort an. Gefällt sie ihm nicht oder ist er nicht voll und ganz zufrieden, klatscht er mit der rechten in die linke Hand. Und weiter mit der nächsten Antwort. Ein interessantes Schauspiel. Ich würde zu gerne verstehen was sie austauschen.

Abends genieße ich dann noch mal den Anblick in der Altstadt. Die Pilger gehen einen 800 m langen Weg durch die Stadt um den zentralen Tempel. Teilweise werfen sie sich längs auf den Boden, unter den Händen eine Art „Gleitschuhe“. Vor dem Tempel knien und beten dutzende Pilger. Ergreifend dies anzuschauen.
Ich schaue aus der Ferne mir alles an. Immer wieder kommen Leute vorbei und fragen ob sie Fotos machen dürfen. Bewusst bin ich auf einigen Fotos drauf, unbewusst sicher noch auf paar mehr.
Zum Abendessen gibt es Yak mit Rettich. Ein chinesischer Verdauungsbrandy muss noch den Magen aufräumen – zu viel Yak-Milch im Tee heute.
Ein bewegender und imposanter Tag mit zahlreichen ergreifenden Momenten durch Freundlichkeit und solch aussagekräftige Gesichter.

In der Stadt sind ca. alle 200 – 300 m Polizeistationen. Zum Hauptplatz sowie in jede Sehenswürdigkeit sind Personenkontrollen und Durchleuchtungsstationen für das Gepäck wie am Flughafen. Dazu sitzt noch gelangweiltes Sicherheitspersonal überall rum, auch auf den Dächern.

Sonntag, 08.12.2013, Lhasa – Drepung Kloster, Sommerpalast (Norbulingka), Jokhang Tempel

Heute geht es weiter mit den Klöstern in Lhasa. Das erste liegt ein wenig außerhalb. Da ich darum gebeten hatte alles so günstig wie möglich zu machen fahren wir mit dem Bus. Dies ist für die Reiseführerin auch neu. Normalerweise immer nur Taxi oder Kleinbus oder für die ganz besonderen Touristen gerne nach jedem Kloster zurück ins Hotel für die saubere Toilette… Vielleicht doch zu Hause bleiben?
Das Kloster liegt am Hang leicht oberhalb der Stadt. Vor der vermeintlichen „Kulturrevolution“ lebten dort auch über 4.000 Mönche. Heute leben noch ca. 400 Mönche im Kloster.
Eine riesige Anlage mit beeindruckenden Innenausstattungen der „Säle“ und Räumlichkeiten. Die Einzigartigkeit der Wandmalereien (Buddha-Geschichte), der Holzschnitzereien und der Wandteppiche ist unglaublich. Dazu riesige Buddha-Figuren, teils aus purem Gold und Stupas (teilweise auch hier mehrere Tonnen Gold schwer).
Danach geht es weiter zum Sommerpalast – dem eigentlichen Sitz des 14. Dalai Lama (lebt heute im Exil in Indien). Eine weitläufige Parkanlage, in der immer wieder kleinere Paläste sind. Alle reich verziert, teilweise mit tausenden kleinen Buddhastatuen, die aus Lehm hergestellt sind und dann bemalt wurden.

Die Führerin bietet mir an, dass ich im Restaurant von gestern Abend essen kann. Es ist eher auf Touristen ausgelegt. Ich präferiere die lokale Variante und so landen wir in einer Seitengasse in einem winzigen Laden – es gibt Kartoffeln, Reis, Gemüse und Fleisch. Dazu wie überall süßen Tee.

Der wichtigste Tempel des tibetischen Buddhismus und Tibets ist in Mitten der Altstadt – der Jokhang-Tempel. Erbaut im 7. Jahrhundert. Der Tempel ist auch Zentrum der Pilgergänge. Bereits morgens ab sechs Uhr stehen die Pilger an und können dann ab acht Uhr in den Tempel. Nachmittags ist dieser für Touristen geöffnet. Hauptbestandteil ist eine Figur eines Buddha (Shakyamuni), den die chinesische Frau eines Königs nach Tibet gebracht hat. Darüber hinaus auch hier überall Wandmalereien.
Auf dem Dach gibt es einen Blick auf den Hauptplatz der Altstadt, den Barkhorplatz bis hin zu dem alles übertrohnenden Potala Palast.

Die Vielzahl der ganzen Buddhas, geschichtlicher Entwicklung und handwerklichen Meisterleistungen ist kaum zu erfassen. Ich versuche mich an der Geschichte des Buddhismus und habe für die nächsten paar Tausend Kilometer Bahnfahrt auch schon das Kindle bestückt.

Am Spätnachmittag – „zur freien Verfügung“ – laufe ich durch die Stadt. Wieder ist die Freude bei Angeschauten und Beschautem groß. So viele unterschiedliche Gesichter, Kopfbedeckungen und Typen von Menschen habe ich selten gesehen.
Abends bin ich faul und gehe in das selbe Restaurant wie gestern. Keine Lust auf Neuentdeckung.

Wetter, 9:00 Uhr: Sonnenschein, blauer Himmel, -6°C

Stupa: http://www.sphinx-suche.de/religionen-p-s/stupa.htm

Montag, 09.12.2013, Lhasa – Shigatse

Montagmorgen. Es gibt unterschiedliche Arten von kaltem Wasser wie ich heute lerne. Das was hier aus der Leitung kommt sind garantiert ganz, ganz kleine Eiswürfel. Daher wird auch erst mal der Wasserhahn beschimpft.
Nach dem kuscheligen 5°C Frühstück geht es mit dem Auto nach Shigatse – 370 km Land- bzw. „Bundesstraße“. Neu gebaut in 2008. Parallel dazu wird gerade die Eisenbahn weiter gebaut. Laut Reiseführerbuch soll diese irgendwann mal nach Nepal durchgängig befahrbar sein. Dann kann man von Mannheim nach Kathmandu fahren. Praktisch.
Unterwegs geht es immer wieder durch kleinere Dörfer. Diese sind in den letzten Jahren entstanden. 50% bezahlt der chinesische Staat, 50% die Eigentümer. Auch hier prallen alte und neue Welt aufeinander –  neu gebaute, schöne Häuser und im Vorgarten sind Kühe und es stapelt sich der Yakmist. An den Hängen und Tälern sind die alten Dörfer.
In einem dieser Dörfer dann plötzlich ein sich bewegender Sack auf der Dorfstraße. Man erkennt recht schnell, dass sich darin eine arme Sau befindet, die wohl von einem der Kleintransporter gefallen ist. Ein alter Mann im Dienste eines Strassenkehrers findet den Sack und zieht ihn mit einem Strahlen in den Augen auf die Seite – dies könnte ein gutes Abendessen werden.
Unterwegs machen wir Pause. Ich bin froh, in einem halbwegs warmen Raum zu sitzen. Da kommt ein Fahrer eines kleinen Lastwagens herein und macht erst mal das Fenster auf. Bei ca. -7 C. Danke für die frische Luft. Der kleine Junge der „Truckstop“-Besitzerin schaut Tom & Jerry.

Wie die meisten Fahrzeugführer im Ausland hat auch unser seinen Führerschein in der Fahrschule „Kamikaze“ gemacht. Beim Überholen reicht die Sicht einer zweifachen  LKW-Länge völlig aus. Wir erreichen dennoch sicher Shigatse. Eine Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern.
Vor allem für die auch hier vielen Pilger gibt es einen Markt und endlos viele Geschäfte mit allerlei Dingen zum Leben auf dem Land (viele dicke Umhänge (innen Wolle, außen Baumwolle), Jacken, Decken, Fleisch, Hausutensilien), Kram und frischen Dingen.
In der Stadt gibt es eine Art „Burg“. Ich habe den Nachmittag frei und mache mich durch enge Gassen auf den Weg hinauf zur leider verschlossenen Burg. Ein kleiner Pfad führt am Hang entlang hinauf mit einem Blick über die Stadt. Dieser mündet irgendwann in dem Pilgerweg, der sich um das Kloster zieht. Ich gehe weiter und genieße all die freundlichen Menschen und außergewöhnlichen Gesichter, die mir entgegenkommen. Der Blick in die Ferne ist endlos.

Auf der Fahrt gab es sicher über ein Dutzend Polizeistationen in unterschiedlichsten Ausfertigungen. Für die einzelnen Abschnitte gibt es eine Zeitvorgabe für die Fahrtdauer, die nicht unterschritten werden darf.

Höhe: 3.900 m
Wetter: gleich

Dienstag, 10.12.2013, Shigatse – Gyangze

Heute ist wieder strahlender Sonnenschein. Dies lässt auf Wärme im späteren Tagesverlauf hoffen.
Frühstück findet in einem großem Saal mit einer Busladung Locals und davon vier kichernden Mädels an meinem Tisch statt. Diese stammen von einer Lehrerfortbildung, wie ich später erfahre. Die Korrelation zwischen Hotel für Lehrerfortbildung und einer auf meinem Nachttisch liegenden Preisliste über die Kosten für die Erstattung der Einrichtung des Hotelzimmers erschließt sich mir noch nicht ganz.
Direkt in Shigatse schauen wir uns das erste Kloster an, das ich gestern schon vom Pilgerweg aus gesehen habe. Auch dieses Kloster ist eine sehr große und weitläufige Anlage, in der ursprünglich auch bis zu 5.000 Mönche gewohnt haben.
Ein Grund, dass es heute auch weniger Mönche gibt, ist die Einkind Politik. Früher hatte jede Familie mehrere Kinder und meist eines davon ging ins Kloster.

Die Fahrt geht weiter in ein sehr kleines Dorf, ein wenig abseits der Straße. Für dieses Kloster war eine eigene Spezialerlaubnis notwendig. Das Kloster ist sehr klein. In dem Kloster können wir der Entstehung eines Mandalas aus farbigem Sand beiwohnen. Wahnsinn, wie die Mönche mit den Fingern millimetergenau und zügig gleichermaßen den Sand auf ein vorgemaltes, ca. zwei mal zwei Meter großes Muster auf dem Boden aufbringen.
Beim Mittagessen mit den Pilgern ist es in der Sonne so warm, dass man im Pulli sitzen kann. Der Braune, wie auf jedem Foto zu sehen. Man muss sich erst daran gewöhnen, dass der Kleiderschrank ungefähr aus zwei Kombinationsmöglichkeiten besteht. Ergänzt durch extra warm. Das war’s. Aber man ist damit ja nicht alleine auf der Welt.
Nach dem Essen darf ich eine Toilette benutzen, wie sie im Potalapalast als Ausstellungsstück gezeigt wurde – ca 500 Jahre alt.

Unterwegs dann wieder allerlei zum „Mitnehmen“:

  • Hervorragende Netzabdeckung
  • Überall Strommaste, die das Land durchziehen
  • Viele Felder, kein Reis, da dieser in der Höhe nicht wächst, sondern v. a. Weizen und Gerste
  • Wasserkanäle für Flutungsbewässerung
  • Und um die Häuser oder direkt auf den Hausmauern Yak Dung: Gemischt mit Gras und als Fladen getrocknet (rund, Scheiben, Blöcke, als kleine Hütten gestapelt oder als Mauer gesetzt) wird dieser zum Heizen verwendet. Holz gibt es in diesem Teil von Tibet (nahezu) keines
  • Durchweg geteerte und gute Straße
  • Geier umkreisen einen Berg
  • Fischer mit Booten aus Yakhaut finden sich am Fluss ein (das schöne an Yakhautbooten ist wohl, dass die harte Yakhaut mit der Zeit im Wasser wieder weich wird)
  • Enten, Gänse, Yaks, Kühe, Schafe und Kraniche, das Hufgetier oft an den steilsten Hängen
  • Und die Landschaft ist oft verschmutzt

Und noch ein Kloster in Gyangze. Die wenigen erhaltenen Räume sind auch hier sehr beeindruckend.
Ein schönes Dreisterne Hotel. In der Stadt viele Läden, die alles anbieten, was man zum Leben braucht. Drumherum ist eben nicht viel. Da ist dieses Städtchen Hauptshoppingmeile.

Das Abendessen nehme ich im Hotel ein, da ich in der Stadt gar keine Möglichkeit zum Essen gesehen habe. Yak-Fleisch mit Reis, heisse Platte mit Kieselsteinen dazwischen. Köstlich. Der Koch sitzt auch in der Ecke, in der ich sitze, da sich dort der Heizlüfter befindet. Er ist von hier. Auch er findet es kalt. Beruhigend. Es ist immer und überall kalt. Einen warmen Raum gab es seit der Ankunft in Tibet nicht mehr. Man muss hier geboren sein, um dies auszuhalten.

Höhe: 3.950 m
Wetter, 14:00 Uhr: Wolkenloser Himmel, strahlender Sonnenschein, -3°C

Mittwoch, 11.12.2013, Gyangze – Heilige Seen – Lhasa

Wie immer geht es ganz entspannt um zehn Uhr los. Das Auto muss schliesslich auch erst mal warm werden. Der für die TransSib gedachte Eiskratzer findet im Fahrer einen freudigen Abnehmer. Mit 50% eisfreien Schreiben fahren wir in die hinter den Bergen gerade aufgehende Sonne.
Auf einem Pass machen wir Fotostopp – 4.200 m hoch, ca. -14°C und eisiger Wind. Der Fotostopp wird daher kurz gehalten.
Weiter geht die Fahrt durch weite Täler und Schluchten. Hier oben sind kaum Häuser.
Grundsätzlich gibt es mittlerweile weniger Nomaden, der Großteil zieht an Häuser an den Strassen.
Unterwegs sind rechts und links unzählige der kleinen tibetische Zwerghamster zu sehen. Alles, wie auch die Hamster, zeigt sich in dieser Jahreszeit in einem leichtem Braungrauton. Die Landschaft ist karg.
Das Mittagessen ist wie die letzten Tage wieder sehr einfach. Keine vier Euro für alle Drei (Fahrer, Führerin und ich). Nudelsuppe, „Maultaschen“ und eine Kanne Tee. Was man nicht austrinkt wird an den Nachbartisch weiter gegeben.

Danach geht die Fahrt weiter entlang der Heiligen Seen. Das glasklares Wasser hebt sich von dem schneebedeckten Gebirgszug am Horizont ab. Über einen 5.000 m hohen Pass fahren wir zurück ins Tal des Brahmaputra Flusses – wir sehen uns wahrscheinlich wieder in Indien.

Es ist festzustellen, dass Kühe Strassen grundsätzlich dämlich überqueren. Aber diese haben auch hier immer Vorfahrt. Wie bei Kühen ist auch die Achtung vor allen anderen Tieren bei den traditionellen Tibetern hoch. Leute, die schlachten, haben einen niedrigen Stand in der Gesellschaft. So essen beispielsweise nur die Chinesen Fisch. Für gläubige Tibeter kommt dies nicht in Frage, da man das Tier tötet und außer ein schnelles Essen dann nichts damit anfangen kann. Im Gegensatz zum Yak, bei dem man die Milch (Butter und Brennstoff), den Kot, das Fleisch, die Haut und das Fell verwenden kann.

Auch heute wieder im Nichts Polizeistationen und die aberwitzige Zeitvorgabe für Strecken. Weitaus weniger, da kaum jemand unterwegs ist.

Donnerstag, 12.12.2013, Lhasa – Xi’an

Der letzte Tag in Lhasa. Nach dem letzten 5°C Frühstück geht es zum Bahnhof. Die Touristenführerin darf nicht mit in den Bahnhof.
Auf dem abgesperrten Bahnhofsvorplatz passiere ich die erste Passkontrolle. Hier werde ich nur durchgewunken. Dann die Gepäcksicherheitsprüfung für den Zug. Ein übereifriger Beamter findet SwissTool und Bundeswehrbesteck und wittert darin Waffen für den nächsten Aufstand. Die sich an meinem Rucksack fast eine Bruch tragende Beamtin lässt ein „Sorry“ los. Nicht ohne ein leichtes hoffnungsvolles Grinsen auf potentielle Geburtstagsgeschenke in den Augen. Ich mache ihr klar bzw. versuche es, dass das Zeug auch schon hier hochgefahren ist. Da die Konversation einseitig ist wird der diensthabende Obermuckel hinzugezogen. Mit einem Kopfschütteln und einer winkenden Handbewegung macht er seinen Untergebenen klar, dass keine Gefahr zu erwarten ist. Ich danke ihm das sehr. Auch in einem Polizeistaat gibt es mitdenkende Apparateteilnehmer.
Dann folgt Warten in dem dafür vorgesehen Saal. Dies ist glaube ich der erste warme Raum in ganz Tibet.

Es folgt der Run auf den Zug – er fährt erst in ca. 40 min. Ein junger Chinese und ein älteres Ehepaar gesellen sich in das Viererabteil. Die beiden Alten beäugen mich ein wenig skeptisch. Nachdem ich der Frau allerdings zeige wie man die Treppenstufe für das obere Bett ausklappe (als alter Bahnfahrer sind das Grundkenntnisse), ist die Skepsis gebrochen. Nur mit meinen Socken stimmt wohl etwas nicht. Sie will mir wohl zu verstehen geben, dass ein Paar zu wenig ist. Der Mann wird zu der „Unterhaltung“ hinzugezogen. Er zeigt mir dicke Socken, Jogginghose und lange Unterhose unter der normalen Hose. Wenn der wüsste, dass ich so schon durch Sibirien gefahren bin.

Im Waggon ist sonst noch die chinesische Version von Studiosus Reisen. Zu erkennen an den beiden überengagierten Reiseleiterinnen und einer mit einer Grundaufregung versetzten Reisegruppe in neuer Multifunktionskleidung. Interessant wie sich Menschengruppen einfach nicht unterscheiden, egal wo.

Die Bahn tuckert gemütlich los. Es fällt auf, dass Bahnfahren im Schlafwagen etwas von Leben auf dem Campingplatz hat. Man sichert erstmal sein Reich (ca. 1,2 m2 Liegefläche), verstaut sein Gepäck (die ersten haben die besten Plätze bzw. die meiste Staufläche) und es wird alles schön reine gehalten. Dazu wird der Jogginganzug oder vergleichbares sowieso die Hotelschuhe der letzten Hotelübernachtung angelegt.

Wir sind laut letztem Bahnhofsschild mittlerweile über 4.500 m hoch. Der Schaffner hält sich öfters mal eine Sauerstoffflasche vor das Gesicht. Im Wagen strömt teilweise aus Sauerstoffdüsen derselbige. Mir geht es gut. Man merkt aber deutlich, dass weniger Luft zum Atmen da ist. Das Gehirn funktioniert auch irgendwie langsamer.

Der Großteil der Landschaft ist schneefrei, was einem bei der Höhe und Jahreszeit irgendwie komisch vorkommt. Überall sind schwarze Punkte zu sehen – tausende Yaks. Hier sind es auch die großen zotteligen Urtiere. In Lhasa und Umgebung waren es eher Kühe wie man sie auch bei uns kennt.

Mittagessenszeit. Aus dem gestrigen Supermarktkauf kann gewählt werden: Drei große Fertigsuppen, eine kleine, drei Bananen, zwei Äpfel, kleine Mandarinen (kenne ich von uns nicht, fallen wohl durch die EU-Norm), komisch süßer Tee (die Packung hat getäuscht), Instantkaffee und köstliches getrocknetes Yakfleisch. Die Touristenführerin versicherte mir heute Morgen, dass es auch das ist, was ich aufgrund der Verpackung interpretierte.
Das ältere Ehepaar isst auch. Es gibt bei allen Fertigsuppe in Gross. Irgendwann reden Sie auf mich ein. Ich habe leider keine Ahnung was sie wollen. Vielleicht wollen sie wissen, wie ich es schaffe, die Nudelsuppe annähernd geräuschlos zu essen. Im Gegensatz zu Ihnen. Inklusive Nachbäuerchen.

Rechts und links der Strecke hüten Hirten ihre Tiere, Yakfladen werden eingesammelt. Die Streckenposten gibt es kaum noch. Dafür ursprünglichere Häuser und Nomadenzelte.

Dann ein Halt bei 4.891 m. Kurz danach noch eine Bahnstation, die wir passieren. Höhere gibt es keine auf der Welt. Die alte Frau zeigt mir kurz danach alle fünf Finger. Soll heißen wir überqueren gleich die 5.000 m Marke.
Hier oben ist nichts. Außer Strommasten rechts und links und ins Nichts führende. Ein paar Yaks und wenige, aber meist verlassene Häuser. Auf den weiten Ebenen tauchen plötzlich Antilopen auf. Sehr schöne Tiere.
http://www.wwf.de/themen-projekte/artenlexikon/tibetantilope-tschiru/
Zur Abwechslung gibt es Nudelsuppe zum Abendessen.

Die stolzen Nomaden und die endlosen Berge und Täler werden mir am Meisten von Tibet in Erinnerung bleiben. Beeindruckend war es, auf der nördlichen Dachseite der Welt.

2 Antworten

  1. Maren

    9 Jahre???? 😉
    schöner Versprecher Markus,…hoffe Du saugst alles auf!

    07.01.2014: Ich befinde mich zur Zeit in Nepal. Nach einem Tag „Gewöhnung“ in Kathmandu geht es morgen für ca. 9 Jahre in das Hinterland – Jomoson, Kagbeni und Muktinath.

  2. Martin

    Moin Dangel,

    9 Jahre ist schlecht! Vergiss meinen Geburtstag 2016 nicht 😉

    Ich hatte zum Jahresende alle Hände voll zu tun. Gute Weihnachts- und Neujahrswünsche hatte ich gedacht, aber nicht geschrieben – sorry dafür.
    Ich schließe mich meiner Vorrednerin an und hoffe, die Höhenluft ist für die vielen Jahre verantwortlich.

    take care
    Martin